Chillen am StrandMan man, wieder für ein paar Tage versackt. Anders als gedacht, bin ich am Ende doch vier Tage in Bahia de los Angelos geblieben. Die Zeit habe ich mehr oder weniger mit Noí, Visen und David und Hündin Nasca verbracht. Mit Visen habe ich eine extra lange 20 km Wanderung am Strand zum Playa la Gringa gemacht. Das ist ein beliebter Stellplatz unter Overlandern und dementsprechend war der Kiesstrand mit allen möglichen Reisemobilen gefüllt. Die riesigen Expeditionsmobile ala Unimog und MAN natürlich von Deutschen. Das ist schon fast ein running gag unter anderen Reisenden bzgl. den Deutschen. Ich habe mich mit einem Pärchen in einem 6x6 MAN unterhalten: die haben nur gejammert. Hier können sie nicht durch weil zu groß, hier nicht drüber weil zu schwer, Stellplätze sind zu schwer zu finden, Verbrauch von 40 Litern Diesel auf 100 km, usw. usf. Da frage ich mich, warum man dann überhaupt in so einem riesigen Teil auf Reisen geht und dann schließlich auf Campingplätzen übernachtet. Aber egal, leben und leben lassen.
Da die Küche am Campo Archelon so gut war, habe ich fast kaum gekocht. Stattdessen habe ich mich durch die Karte gegessen: Enchiladas, Tortillas, Taccos, Tostadas und Quesadillas. Die mexikanische Küche ist der Hammer (nur zur Einordnung: ich hatte bis dahin noch nie mexikanisch gegessen). Am letzten Tag habe ich in Bahia de los Angelos das historische und maritime Museum besucht. Es wird von sogenannten Snowbirds (pensionierte Amerikanerinnen, die im Winter nach Süden fahren) ehrenamtlich geführt. Sehenswert ist das Ganze nur wegen des rustikalen Charmes. Danach ging es mit David über Schotter- und Sandpisten entlang der Küste Richtung Bahia de las Ballenas. Die Vorwarnungen der Einheimischen haben sich leider bewahrheitet: Waschbrettpiste und tiefer loser Sand für mehr als 200 Kilometer. Für David auf seinem voll bepacktem Motorrad eine echte Herausforderung und Tortur. Übernachtet haben wir fix und fertig auf der schönen Rancho Escondido. Auch hier gab es wieder von Mutti gemachte heimische Küche, bevor die Müdigkeit schon sehr frühzeitig ihren Tribut gezollt hat. Am zweiten Tag haben wir noch einen kurzen Stopp an einer Höhle mit Malereien gemacht und uns schließlich, zurück am Highway, verabschiedet. Für mich ging es wieder ein kurzes Stück zurück nach Norden, die Küste bei Jesús María wurde mir von anderen Reisenden empfohlen. An der riesigen flachen Bucht habe ich einen Tag verbracht. Frühstücken mit Meerblick und vorbeiziehenden Delfinen kann gefallen. Eine kurze Wanderung führte zu einem Felsen, wo ich eine Weile Seelöwen beobachten konnte. Schließlich ging es wieder zurück nach Süden, nach Guererro Negro zum Tanken und Einkaufen. Anschließend bin ich nach Ojos Liebre gefahren. Das ist ein bekannter Platz, an dem sich von Mitte Januar bis Ende März Grauwale direkt von der Küste aus beobachten lassen. Die kommen zum Kalben in die geschützte Bucht. Die Anfahrt ist auch recht interessant, da sie durch ein Gebiet verläuft, in welchem Meersalz gewonnen wird. Leider sind zur Zeit noch keine Wale vor Ort. Irgendwie habe ich damit immer Pech. Für die Walhaie bin ich zu spät, für die Grauwale zu früh, für die Orcas in Kanada zu spät und bei den Walen in Argentinien kam Corona dazwischen... Naja, auf jeden Fall war der Platz direkt am Wasser zu schön, um gleich wieder umzukehren. Also bin ich geblieben und habe meinen stetig atrophierenden und verfettenden weißen Körper in die Fluten gestürzt und in die unermüdlich brennende Sonne gehalten und mich dabei um Akzeptanz bemüht... Frohen Dritten Advent! Slow Baja...Nachdem ich die Ranch verlassen hatte ging es zuallererst zum Einkaufen nach Ensenada und anschließend durch den zähen Verkehr zu einem Campground direkt am Meer. Der Ausblick war schön, aber das war es auch schon. Mehr hatte der Platz nicht zu bieten. Also bin ich am nächsten Morgen zeitig aufgebrochen und über Ensenada Richtung Ojos Negros gefahren. Dort wollte ich beginnen dem Baja Divide Trail zu folgen. Der BDT ist eine Bikepacking Route und führt mehr oder weniger abseits der asphaltierten Straßen entlang der langgestreckten Halbinsel. Ein Teil dieser Strecke war auch Bestandteil des Baja 1000 Rennens. Um das an dieser Stelle gleich vorwegzunehmen: alle meine Versuche dem BDT zu folgen scheiterten nach einigen Kilometern. Die Pisten waren einfach zu tief ausgewaschen (Hurricane Ende des Sommers) und/oder von dem Baja Rennen völlig aufgerissen. Vielleicht wäre da mit etwas mehr Mut und Geduld mehr drin gewesen, aber das Risiko war und ist es nicht wert.
In Ojos Negros habe ich eine Führung in einer Käserei gemacht. Der Besitzer hat sich nach Schweizer Vorbild einen Keller bauen lassen, in welchem die Käse gelagert werden. Eine Besonderheit in Mexiko. Die komplette Produktion, inklusive der Kuhhaltung findet auf dem Hof statt. Nach Verkostung von 11 verschiedenen Sorten Käse bin ich relativ satt wieder ins Auto und habe mich zurück nach und durch Ensenada gequält. Am Stellplatz oberhalb von Santo Tomas habe ich Brian un Deana getroffen. Die beiden sind mit dem Fahrrad in Los Angeles gestartet und fahren entlang des BDT. Ich habe die beiden in den folgenden Tagen immer wieder mal unterwegs getroffen. Ebenso Pablo, dem ich leider seine einsame Bucht streitig machen musste... Nächster Stopp war im Parque Nacional San Pedro Martir. Absoluter Tapetenwechsel, Felsen, Pinien und niedrige Temperaturen. Leider war die (kopierte) Karte zum Park nicht besonders aussagekräftig. Wanderwege waren zwar gekennzeichnet, aber es gab keine weiteren Informationen. Auch an den einzelnen Startpunkten der Wanderwege waren keine Infos zur Länge oder Dauer des jeweiligen Weges. Daher habe ich mich auf den einzigen Trail beschränkt, der zumindest halbwegs ausgeschildert war und zu einem schönen Aussichtspunkt Richtung Sea of Cortez führte. Unterwegs hatte ich Harry und Jay getroffen, abends haben wir dann noch gemeinsam ein Feuer gemacht. Mein nächster Stopp war Punto Mazo, eine langgestreckte Halbinsel mit langen Sandstränden, Dünenlandschaft und Vulkankratern. Im Reservat muss man sich bei Einfahrt registrieren und kann dann sogar kostenfrei campen. Hier bin ich zum ersten Mal wirklich ernsthaft in losem Sand am Strand und in den Dünen gefahren. Das bedeutet Luftdruck runter, Allrad, immer etwas Schwung behalten und ein Auge auf die Tide haben. Nachdem ich einen halben Tag die Dünen erkundet hatte, viel die Entscheidung noch eine Nacht länger zu bleiben nicht schwer. Anschließend ging es weiter nach Süden, diesmal etwas mehr Strecke als sonst. Auf dem Weg zur Bahia de los Angelos habe ich im Valle de los Cirios, einer faszinierenden Kakteenlandschaft, übernachtet. Leider war der Wind extrem stark und hat mich davon abgehalten noch einen Tag dort zu bleiben und zwischen den Kakteen zu wandern. Die großen dicken, Cadrón genannt, werden mehr als 20 Meter hoch und bis zu 25 Tonnen schwer. Die Größe kommt auf den Fotos leider nicht wirklich rüber. Nach langer Fahrt mit viel Seitenwind auf engen Straßen durch die weite Kakteenlandschaft bin ich in Bahia de los Angelos angekommen. Diesmal habe ich mir kein Wildcamp gesucht, sondern einen Campingplatz direkt am Wasser, mit Wlan, guter Küche und gutem mexikanischem Kaffee sowie vielen anderen Reisenden. Hier schreibe ich gerade diese Zeilen und werde den Blog wieder auf den aktuellen Stand bringen. Was muss, das muss. Abschließend sei gesagt, dass mir das langsame Tempo wirklich gut tut. Der ständige Zeitdruck in den USA war sehr stressig. Hier in Mexiko kann ich schöne Plätze auch mal mehr als einen Tag genießen und auf mich wirken lassen. Irgendwo auf Rauls Ranch hatte ich einen Aufkleber gesehen: Slow Baja. Genauso siehts aus... Urlaub auf der Ranch...Der Grenzübertritt nach Mexico verlief relativ problemlos. Ohne irgendeine Kontrolle, konnte ich einfach durch den Grenzposten fahren, allerdings stand noch etwas Papierkram an. Nachdem ich unweit einen Parkplatz gefunden hatte, ging es zur Migracíon. Die hatten leider ein Problem mit ihrer Software und ich musste 2,5 Stunden warten. Die Zeit habe ich genutzt, um Geld abzuheben und mir beim Bäcker Brot zu kaufen. Keine 200 Meter von der USA entfernt und schon findet man im Familienbetrieb handgemachtes Brot, welches den Namen auch tatsächlich verdient.
Als die Migracíon wieder geöffnet war, ging alles recht zügig. Erst die TouristCard abholen und beim Banjercito bezahlen, mit dem Zahlungsbeleg gibt es den Stempel im Pass. Danach eine Kopie der TouristCard im Copyshop und zurück zum Banjercito. Dort wieder Kopien der TouristCard, vom Reisepass und der Fahrzeugzulassung abgeben, ein paar Unterschriften und einer weiteren Zahlung (ca. 50€) gabbes das TIP (Temporary Import Paper) für Gordo. Der darf, im Gegensatz zu mir, jetzt sogar 10 Jahre in Mexico bleiben. Nachdem alles erledigt war, bin ich ca. 60 km Richtung Ensenada gefahren. Hier hatte ich fast einen Unfall. Die Mexikaner fahren sehr, sagen wir mal, beherzt. Straßenschilder und -markierungen sind nur zum Schmuck. Überholt wird gefühlt immer dann, wenn es überhaupt nicht passt. So wurde ich also von jemandem, der mich in einer Kurve überholte, fast von der Straße gedrängt, als er vor dem Gegenverkehr ausweichen musste. Daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen. Wobei in den Städten, obwohl chaotisch, sehr ruhig und rücksichtsvoll gefahren wird. Irgendwo im Nirgendwo bin ich schließlich auf eine Schotterstraße abgebogen und holprige 15 km später wurde ich von 5 Hunden auf der Rancho La Bellota lautstark begrüßt. Auf dem Gelände standen einige LandCruiser, ein Unimog, Mercedes Sprinter usw. Raul und Caroline, die Besitzer der Ranch, bieten hier eigentlich Erlebnispakete für Familien oder Gruppen an: Ausritte, Jagd, Wanderungen, Spiele usw. Da sie aber selber sehr viel mit ihrem Reisemobil unterwegs sind, haben sie sich entschieden auch Overlandern Übernachtungs- und Lagerplätze anzubieten. Das Schönste an der Sache: Strom und Licht liefert die Sonne. Sonne aus, Licht aus. Gerade jetzt im Winter, wo sich im Tal der Ranch bereits um 16:30 Uhr die Dunkelheit ausbreitet, führt das zu maximaler Entspannung. Ich will das hier an dieser Stelle nicht unnötig ausdehnen, daher versuche ich mich kurz zu fassen. Ich bin fünf Tage geblieben, habe neue nette Menschen kennengelernt, mich sehr gut unterhalten, wurde zum Thanksgiving-Essen eingeladen, habe meine Blogs vervollständigt, Gordo hat etwas Pflege bekommen, ich konnte mich auf der Ranch etwas nützlich machen, habe die Gesellschaft der vielen Pferde, Hunde und Schafe und das Leben im Rhythmus der Natur genossen. Auch wenn mir der Ruf eines emotionslosen Hardcoreberserkers vorauseilt, waren v.a. die sozialen Kontakte, nach den letzten recht einsamen Wochen, eine willkommene Abwechslung. Dementsprechend ist mir der Abschied wirklich schwer gefallen. Sollte ich vom Süden Mexicos wieder zurück in die USA fahren, weiß ich auf jeden Fall, wo ich ein paar Tage Halt mache. |
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Juni 2024
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