White out...Es sind Ferien in Schweden. Anscheinend bekommt jedes Neugeborene direkt einen Wohnwagen und/oder ein Wohnmobil geschenkt. So ähnlich wie im Osten für jeden Säugling gleich der Trabant bestellt wurde. Dazu gibt es in Schweden noch ein Kayak, ein Mountainbike, ein Schneemobil sowie eine Sommer- und eine Winterhütte. Alles oberstes Regal versteht sich! Was ich damit sagen will ist, dass hier mittlerweile der Teufel los ist. Lange weiße Caravanen von Wohnmobilen und Wohnwagen ziehen sich die Straßen entlang und nahezu jeder verfügbare Stellplatz ist belegt. Sobhabe ich das nicht erlebt. Aber das ist eben die logische Konsequenz, wenn Europa die Schweden momentan nicht haben will. Dann wird eben Urlaub im eigenen Land gemacht. Usedom ist ja auch nicht gerade leer...
Die eben beschriebenen Umstände, die eintönig werdende (wenn auch sehr schöne) Landschaft, die Millionen Killermückinnen (an dieser Stelle bestehe ich aus naturwissenschaftlicher Korrektheit auf die Nennung des Geschlechts), das seit Wochen überwiegend kalte und nasse Wetter und der Fakt, dass mein sozial distanziertes Verhalten mittlerweile paranoide Züge annimmt, haben mich entschließen lassen, die Fähre umzubuchen und eine Woche eher zurück nach Deutschland zu kommen. Die Reisewarnung für Schweden ist zwar seit vorgestern aufgehoben und damit entfällt auch die Rückkehrquarantäne und ich könnte eigentlich noch knapp zweieinhalb Wochen bleiben. Aber es wird Zeit mal wieder soziale Kontakte aufzunehmen und nicht nur Selbstgespräche zu führen. Außerdem muss ich mir noch ein Dach überm Kopf suchen. Im Toyota will ich nicht länger als Ende Oktober bleiben... Etwas mehr Luxus darf schon sein! 😉 Ansonsten kann ich von keinen Highlights berichten. Außer vielleicht der Anschaffung eines "Thermacell Myggskydd Backpacker". Das ist ein Verdampfer für ein, ich zitiere, "Bekämpningsmedel klass 3" gegen Mückinnen für den outdoor Einsatz. Bei Windstille soll sich die Wirksamkeit auf 20m² erstrecken. Da ich ja immer bei offenen Hecktüren koche und hantiere, ist der Wagen öfters mal randvoll mit blutrünstigen Mückinnen, die einem die Nacht zur Hölle machen. Mit dem Myggskydd hat sich das tatsächlich erledigt! An dieser Stelle vielen Dank an Katha und Flo für die Empfehlung! Das Teil hat das outdoor-Leben wieder angenehm gemacht. BITTE FOLGEN...Die Sucherei nach Verbindungsstraßen Richtung Süden hatte mich bis hinter Tarnäby an die norwegische Grenze verschlagen. Von hier aus gibt es eine 60km "Abkürzung" auf norwegischer Seite, die mir auf dem Weg nach Dikanäs ca. 140km gespart hätte. Da zur Zeit die Einreise für Deutsche nach Norwegen immer noch verboten ist, war mein Plan an der Grenzkontrolle zu fragen, ob es in Ordnung wäre, die "Abkürzung" zu nehmen. Also in Ruhe gefrühstückt und los zur Grenze. Fünf Kilometer vor der Grenze habe ich dann allerdings spontan gestoppt, eine Wanderung zum Atoklinten eingelegt (sehr zu empfehlen, v.a. in Kombination mit dem Rundweg) und bin wieder zurück an den schönen Stellplatz am Strand gefahren. Die Wanderung hatte dann doch länger gedauert als geplant. Unterwegs traf ich zwei Schweden, die ich mal gefragt habe, wie sie es empfinden, dass viele nach Schweden kommen, um Urlaub zu machen, sie selbst aber nirgendwo willkommen sind. Die zu erwartende Antwort war, dass sie damit kein Problem haben, in Schweden seien alle willkommen. Außerdem berichteten die Beiden von einem Restaurantbesuch mit sehr strengen Hygieneregeln. Also zumindest hier im "Hinterland" läuft es auch nicht anders als bei uns.
Nächster Tag: Sport, Frühstück und den Norwegenplan endlich in die Tat umsetzen. An der Grenze direkt gab es keine Kontrolle. Also hab ich mir gedacht, fährste weiter bis was kommt oder eben auch nicht... Auf dem Weg habe ich mehrmals zum Fotografieren angehalten. Irgendwie war hier alles schöner als in Schweden, alles war größer und schroffer und extremer und es lag mehr Schnee. Also abgebogen in eine Seitenstraße und drei Meter später den Wagen im Schnee festgefahren. Naja, war klar. Spielkind... Wenige Minuten später lagen alle vier Maxtrax unter den Rädern und der Wagen wieder auf festem Grund. Weiter ging es auf meiner "Abkürzung", bisher keine Kontrollposten und meine Hoffnung, unerkannt bis zurück nach Schweden zu kommen, wuchs... Bis mir die Polizei entgegen kam und wieder im Rückspiegel verschwand, um ein paar Kurven später dort wieder aufzutauchen. Mist, jetzt gibt es Ärger. Also sofort rechts ran, Maske auf und freundlich schauen. Ich habe dem Polizisten mein Vorhaben erklärt und er konnte das auch nachvollziehen und hat sogar irgendwo angerufen, ob er das genehmigen könne. Leider war die Rückmeldung negativ und ich musste ihnen bis zum Kontrollpunkt folgen, der natürlich in der falschen Richtung lag. Dort gab es noch ein Dokument für mich: offiziell aus Norwegen ausgewiesen! Zwei Mal könne ich mir das noch erlauben, dann gäbe es eine zweijährige Einreisesperre... Nein danke, muss ich nicht haben. Zwei Stunden später stand ich wieder an meinem Strand in Schweden... Nach kurzer Pause habe ich mich schließlich auf den langen Rückweg gemacht. Mehrere Stunden später, mit lange Schotterpisten, viel Regen und einem vollkommen eingesauten Auto, fand ich schließlich einen Stellplatz entlang des Viltmarksvägen. Diese Route führt nach Westen entlang an Flüssen und Seen und schließlich über ein auf fast 900m gelegenes Hochfjäll. Eine absolut lohnenswerte Route! Leider wissen das auch viele andere, denn überall stehen Caravans, Wohnwagen und Bootsanhänger. Wenn man hier einen Nachtplatz sucht, dann sollte man früh damit anfangen. Am nächsten Tag, nach Überquerung des Hochfjells bei bestem Wetter, habe ich eine Wanderung zur Bjurälvsgrotan gemacht. Leider ohne Weitsicht aber mit einer sehr interessanten Karstlandschaft, in die man nach ca. drei Stunden Fußmarsch eintaucht. Hier verläuft der Fluss weit verzweigt größtenteils unterirdisch. Dort wo das Wasser die Decke seiner Tunnel wegerodiert, sackt der Boden nach und es bilden sich kraterähnliche Löcher. Diese finden sich weit verstreut über ein riesiges Gebiet. Fünf Stunden später bin ich wieder zurück auf das Hochfjäll gefahren, um dort die Nacht zu verbringen. Das Wetter kündigte einen spektakulären Sonnenuntergang an. Leider war ich spät dran und die Weißware (umgangssprachlich und abwertend für Wohnmobile/ Wohnwagen) hatte bereits jeden verfügbaren Quadratmeter zugeparkt. Ich habe mich dann letztendlich einfach drei Meter von der Straße in den Matsch gestellt. Egal, denn der Ausblick war hervorragend. Kurze Zeit und einen Kaffee später glühte der Grill und die Forelle brutzelte im Licht der untergehenden Sonne. Dazu einen heißen Kakao, das Rentierfell im Rücken und Van Morrison in den Ohren. So lässt es sich leben, auch direkt an der Straße... Same shit different day...Seit meinem Mitternachtsausflug sind schon wieder anderthalb Wochen vergangen und das wie im Flug. Drive, hike, eat, sleep, repeat. So oder so ähnlich sahen die letzten Tage aus. Letzendlich endete fast jeder Tag an einem schönen Stellplatz, einem Feuer und manchmal sogar in Gesellschaft.
Ein Highlight war die Wanderung zum Trollsjön nördlich von Abisko. Diese wurde mir von einem Schweden empfohlen, der auch zwei Nächte auf dem Parkplatz verbrachte. Viele Schneefelder gespickt mit tausenden Felsen und ein angeblich kristallklarer See in einem Talkessel. Angeblich deshalb, weil von dem See unter der immer noch dicken Schneedecke nicht viel zu sehen war. Eine eisfreie Lücke zum Baden fand sich allerdings doch... Auf dem Rückweg nach Süden habe ich einen kurzen maskierten hit-and-run-Stopp im Safari Café gemacht. Ich war dort vor Jahren mal mit Kai auf der ersten Reise über den Polarkreis. Diesmal gab es keine Kardamom-Himbeer-Muffins und der Kaffee kam aus dem Automaten. In meiner Erinnerung hatte das Café irgendwie mehr rosa... Entlang der E45 habe ich Katha und Flo wiedergetroffen. Das erste Mal trafen wir uns in Abisko auf dem Mitternachtssonnen-Parkplatz. Wieder haben wir abends zusammen gesessen, diesmal mit großem Feuer und Stockbrot. Feuer und Stockbrot gab es auch mit Vivian und Hannes, die ich in der Nähe von Arjeplog getroffen hatte. Die beiden mussten wegen Corona ihre Radtour durch Europa abbrechen. Jetzt verbringen sie die letzten verbleibenden Tage auch hier in Schweden, ohne Fahrrad, dafür mit Auto, Rucksack und Zelt. Die restlichen Tage kriege ich irgendwie nicht mehr richtig sortiert. Ich weiß nur, dass ich mir auf Anraten von Katha und Flo in Porjus ein Rentierfell gekauft und über verwirrende Schotterpisten versucht habe, weiter nach Süden zu kommen, ohne ständig auf der E45 unterwegs zu sein. Leider waren dabei auch einige Sackgassen, aber das gehört nunmal dazu und endet nicht selten an wunderschönen Stellplätzen... |
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Juni 2024
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