Die Nacht der 1000 Tode...... oder: wie ich den Cotopaxi erkroch. Es folgt ein subjektiver Emotionsbericht. Alles begann am Samstag Nachmittag als Chasky, mein Guide, mir die benötige Ausrüstung übergab: Eishacke, Klettergurt, Steigeisen, Schuhe, Helm und Handschuhe. Meinen Rucksack hatte ich bereits gepackt. Etwas riegelförmiges mit viel Kalorien, Stirnlampe, Reserveklamotten, 1,5 Liter Wasser und natürlich die Kamera. Beim Abendessen haben wir dann die Details der Tour besprochen und sind wenig später ab ins Bett bzw. jeder in sein Auto. Um 23 Uhr sind wir aufgestanden und zum Parkplatz am Cotopaxi (4600m) gefahren. 00:30 sind wir dann von dort zur Schutzhütte hinauf gegangen (4800m). Während der Autofahrt waren am Hang schon einige 'Lichterketten' zu sehen, also die Lampen der anderen Gruppen, die bereits auf dem Weg waren. Auch in der Hütte war ein emsiges Treiben. Es sind bestimmt 10 Gruppen unterwegs gewesen. Immerhin war Wochenende. An der Hütte haben wir nochmal die Kleidung überprüft, etwas getrunken und Gurt und Helm angezogen. Dann ging es im stetigen langsamen Tritt weiter zur Schneegrenze, wo dann die Steigeisen angelegt wurden und wir uns mit einem Sicherungsseil verbunden haben. Bis dahin ging soweit alles gut, mir war warm, die Kondition spielte mit. Der ständige Blick nach unten auf Chaskys Füße und deren langsamen und sicheren Schritt, im Schein meiner Lampe, hatte etwas hypnotisierendes. Die erste halbe Stunde im Schnee, mit den Steigeisen, der Eishacke und in der völligen Dunkelheit bei eisigem Wind, ab und zu mal an beeindruckenden Gletscherspalten vorbei, hat wirklich Spaß gemacht. Aber dann begann das stundenlange Leiden... Chaskys euhiges und langsames Tempo war anscheinend gar nicht so langsam, denn immer wieder haben wir andere Gruppen überholt. Das kurzzeitige Erhöhen des Tempos beim Überholen hat meine Kondition völlig überfordert. Anfangs war das noch ok, aber mit zunehmender Höhe haben die Überholmanöver immer tiefere Löcher gerissen, aus denen kein Entkommen mehr war. Mit zunehmenden Kopfschmerzen, Schwindel, Beinen aus Gummiund einer Atemfrequenz am Limit ging es immer weiter den Hang hinauf und an anderen Gruppen vorbei. An einer windgeschützten Stelle haben wir ca. 2 Stunden vor dem Gipfel eine kurze Pause gemacht. Die Riegel waren alle gefroren und mein Wasser im Trinkschlauch auch. Wie bescheuert muss man auch sein, eine Trinkblase mitzuschleppen... Chasky hat mir dann was von seinem Getränk gegeben. Chasky hat sich außerdem noch eine weitere Jacke angezogen. Ihm war ob unseres langsamen Tempos einfach zu kalt. Unbegreiflich! Ihm ist kalt und am anderen Ende der Leine stirbt einer den Heldentod. Pause vorbei, weiter ging es: zwei Schritte, Konzentration und Willen aufraffen, zwei Schritte, Konzentration und Willen aufraffen, zwei Schritte, usw. usw. stundenlang durch die Nacht, der Blick nur noch auf das Sicherungsseil fixiert. Zwischendurch immer mal wieder unkoordiniertes Stolpern oder Stürzen, dabei die Atmung auf vollem Anschlag. Aber wo kein Sauerstoff ist, da hilft auch das viele Atmen nicht. Auf allen Vieren, hechelnd wie ein Hund, dann aber doch noch schwankend auf zwei Beinen sind wir dann pünktlich um 6 Uhr zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel angekommen. Hätte Chasky nicht immer wieder an der Leine gezogen oder ermunternd gerufen, ich hätte mich irgendwo in Embryonalstellung zum Sterben auf den Weg gelegt. Das Schlimmste dabei war die eigene Machtlosigkeit. Der Wille war ja da, aber der allein reicht irgendwann auch nicht mehr. Übrigens waren wir die dritte Gruppe am Ziel, hatten also mind. 7 andere Gruppen überholt... Zurück zum Gipfel: Ein genialer Blick über die Wolken auf die Gipfel der umliegenden Vulkane. Im Westen die rotglühende aufgehende Sonne. Leider war das nicht wirklich genießbar, denn die eisigen Temperaturen und 6 bis 7 Windstärken waren nicht zu ignorieren. Also wieder ab nach unten. Diesmal war ich vorn, konnte somit das Tempo vorgeben. Etwas besser. Auf dem Weg nach unten kamen uns dann die anderen Gruppen entgegen. Viele davon litten genauso wie ich. Ein Lächeln und etwas Genugtuung... Lange Geschichte kurz: es war hell, also konnte man endlich auch mal die Umgebung bewundern, durch die man stundenlang bergauf gestolpert war. Absolut beeindruckend. Am Horizont der Schatten des Cotopaxi im morgendlichen Dunst. Um 8:30 Uhr waren wir wieder am Auto. Chasky war begeistert. Nur 8 Stunden für das was normalerweise für 9 Stunden angesetzt ist, ausgehend von der 200m höher liegenden Schutzhütte versteht sich. Ich war tod... Fazit: (teures) Vergnügen, wenn man mal wirklich an seine Grenzen gehen und einen wunderschönen, nicht genießbaren Sonnenaufgang auf einem Vulkan erleben möchte. Für mich ist das abgehakt und: Nie wieder! "Thank you Cotopaxi!" (Chasky, 2019) ;) Comments are closed.
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Juni 2024
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